Kind und Fahrradanhänger
Der Sommer kommt und wie jedes Jahr sind wieder vermehrt Fahrradanhänger mit Kleinkinderbesatzung auf dem Weg zum Einkaufen, zum Kindergarten oder zu Freizeitparks. Nicht selten ist ein rasantes Überqueren von Bordsteinen oder Schwellen zu sehen, die eigentlich der Verkehrsberuhigung und Sicherheit dienen sollen. Für den Fahrradfahrer ist der gesundheitliche Wert eines solchen Transports offensichtlich. Er sitzt auf einem gefederten Sattel und kann, falls ein Hindernis auftaucht, sich durch Muskelanspannung oder Ausweichbewegungen darauf vorbereiten. Wie sieht es jedoch mit den Kindern aus? Ist der Spaß, mit Papa oder Mama etwas zu unternehmen, mit gesundheitlichem Nutzen oder gar gesundheitlichen Risiken verbunden?
Eine Studie an der Bergischen Universität Wuppertal untersuchte die auftretenden Belastungen beim Transport von Kindern in einem dafür vorgesehenen, handelsüblichen Fahrradanhänger. Die Untersuchungen wurden mit einem Anhänger der gehobenen Preiskategorie in der Preislage von etwa 500 Euro durchgeführt. Auf unterschiedlichem Untergrund und bei verschiedenen Geschwindigkeiten (10, 15 und 20 km/h) wurden die vertikalen Beschleunigungen im Anhänger auf dem Sitz gemessen, auf dem normalerweise (Klein-)Kinder sitzen. Die vertikalen Beschleunigungswerte sind je nach Bodenbeschaffenheit und Fahrgeschwindigkeit im (ungefederten) Fahrradanhänger zum Teil bedenklich hoch.
Der Einfluss der Fahrgeschwindigkeit auf die vertikale Beschleunigung ist deutlich zu erkennen. Je schneller gefahren wird, desto höher sind sie. Den größten Einfluss hat natürlich die Straßenbeschaffenheit. Selbst kleinste Unebenheiten, zum Beispiel auf einer modernen Pflasterstrasse, zeigen sich in recht hohen Vertikalbeschleunigungen. Auch Schweller zur Straßenberuhigung, wie sie oft eingangs von Fußgängerbereichen zu finden sind, führen zu hohen vertikalen Beschleunigungen. Extrem hoch werden die Belastungen auf alten Pflastersteinstraßen, auf denen die Vertikalbeschleunigen auf über den zehnfachen Wert der einfachen Erdbeschleunigung ansteigen (10,6 g). Das bedeutet: Wenn ein Kind zum Beispiel 20 kg wiegt, dann wirken bei einer Vertikalbeschleunigung von 10,6 das 10,6-fache des eigenen Körpergewichtes auf das Kleinkind, also 212 Kilogramm (20×10,6=212 kg).
Das Ungesunde ist nicht nur die absolute Belastung auf die kleinkindliche Wirbelsäule, sondern auch die Haltung des Kindes. Meist sitzen die Kinder in gekrümmter Sitzhaltung im Anhänger. Diese Haltung ist für das Abfangen der auf die Wirbelsäule wirkenden Kräfte äußerst ungünstig, da in dieser Position die physiologische Wirbelsäulenkrümmung und damit die natürlichen Dämpfungseigenschaften partiell aufgehoben sind. Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass die Kinder aus dem Anhänger heraus nicht darauf achten, zu welchem Zeitpunkt eine Bodenwelle oder ein Schlagloch kommt. Sie spannen daher die Muskulatur nicht im Vorfeld an, was die Wirbelsäule den Beschleunigungskräften ungeschützt aussetzt.
Eltern sind die gemessenen Beschleunigungskräfte und die daraus resultierenden Gefahren für ihre Kinder sicherlich nicht bewusst. In Zukunft muss zunächst überprüft werden, ob die sehr hohen Belastungen tatsächlich zu Schädigungen führen oder ob die Gewebe der (Klein-)Kinder die Belastungen schadlos tolerieren. Dazu müssen sowohl die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder Berücksichtigung finden als auch die Wirkungen von einmalig hohen und dauerhaft niedrigen Belastungen (Vibrationen) betrachtet werden. Da die Belastungen je nach Untergrund und Fahrgeschwindigkeit erheblich variieren, sollte zunächst den Eltern der Hinweis gegeben werden, den eigenen Fahrstil im Interesse ihrer Kinder zu überprüfen. Grobe Unebenheiten oder schadhafte Straßen und Wege sollten gemieden und die Geschwindigkeit beim überqueren von Unebenheiten verringert werden.